Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (2024)

Papst Johannes Paul II. „Seid froh, ich bin es auch“

Rom · Gottesdiener, Anti-Marxist und Kapitalismus-Gegner: Vor 100 Jahren wurde Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II., geboren.

17.05.2020, 20:00 Uhr

Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (1)

Die Wendepunkte der Geschichte werden nicht immer mit gewaltigem Leuchtfeuer illuminiert. Manchmal geschehen sie, und die Menschen erkennen erst im Nachhinein, welch eine historische Bedeutung einem ganz bestimmten Moment im Jahreslauf zukommt. So sind wir denn beim 16. Oktober 1978: Die Römische Weltkirche präsentierte ihren neuen Pontifex, Johannes Paul II.

Da „katholisch“ weltumspannend heißt und der Papst der größten Religionsgemeinschaft der Erde vorsteht, war das schon per se ein globales Geschehen. Zum Welt-Ereignis wurde die Wahl des ersten Polen auf den Stuhl Petri durch das Wirken des Menschen, der heute vor 100 Jahren in Wadowice bei Krakau geboren wurde.

Seine Mutter Emilia Wojtyla sagte über ihren kleinen Karol, den sie Lolek nannte: „Er wird eines Tages ein großer Mann sein.“ So ist es dann gekommen. Johannes Paul II. griff entscheidend in den Lauf der Geschichte ein, indem er zuerst den Freiheitskampf seiner Landsleute beflügelte und hernach mit geistigen Waffen und Froher Botschaft mithalf, die Völker Ost-/Mitteleuropas dem kommunistischen Zugriff zu entziehen. Programmatisch klang bereits sein berühmter Appell bei der Amtseinführung in Rom: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme!“

Der ehemalige Sowjetführer Michail Gorbatschow verwies nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf den Einfluss des Papstes bei der Wende in Europa: „Man kann sagen, dass alles, was sich in den letzten Jahren in Osteuropa ereignete, ohne die Anstrengungen des Papstes und die enorme, auch politische Rolle, die er in der Welt gespielt hat, unmöglich hätte geschehen können.“

Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen skizzierte den Polen so: „Er war als Schauspieler geboren, als ein Mensch, der Überzeugungen in Worte, Gesten und Bewegungen kleiden konnte. Die Bühne der Welt war für ihn wie gemacht.“ Johannes Paul II. reiste zu den Völkern sämtlicher Erdteile, in mehr als einhundert Länder. Es gab Kritik am Reise-Papst, der so manches unerledigt im Vatikan zurückließ. Er entgegnete: „Hat Jesus gesagt: Geht in den Vatikan und bleibt dort, oder hat er gesagt: Geht hinaus in alle Welt und verkündet mein Wort?“

Er begründete die katholischen Weltjugendtage, beinahe könnte man von einer genialen Erfindung, einem Missionarscoup sprechen. In der englischsprachigen Welt nannte man Johannes Paul II. wegen der Massenfaszination, die er auslöste, flapsig „Pope-Star“. Er war kein „Weltgeist zu Pferde“, wie Hegel über Napoleon schwärmte, aber er verstand es, in vielen Sätteln zu reiten: als Welt-Diplomat unter den Staatsleuten seiner Zeit, als Scherze machender Charmeur, als moralische Instanz und Charismatiker, der mit seiner dunklen Stimme zugleich werbend und ernst die Szenerien beherrschte. Seine Gegner hielten ihm vor, ein Konservativer zu sein. Er jedoch widerstand wie der sprichwörtliche „Fels“ Petri den hauptsächlich in Mitteleuropa grassierenden Erneuerungsanliegen, die er für Modewellen hielt. Dass Frauen das Sakrament der Priesterweihe empfangen können, schloss er 1994 ausdrücklich aus. Die einen werden ihn deshalb zu den Ewiggestrigen sortieren; die anderen zu den Bewahrern von Jesu Auftrag und kirchlicher Jahrtausend-Tradition,

Unbeirrbar dem Sendungsauftrag Christi gehorchend, geißelte er mit zornbebender Stimme die „Kultur des Todes“. Krieg, Euthanasie, Abtreibung – für Johannes Paul ein Trio des Antichristen. Er hat unter dem Regime zweier menschenfeindlicher Ideologien leben müssen: der Nazi-Barbarei in Polen und später der Knechtschaft des Marxismus/Bolschewismus dort. 2003 war der bereits von Krankheit gezeichnete Pontifex (Brückenbauer) ein beinahe einsamer Rufer gegen den heraufziehenden Krieg der USA gegen Irak. Der Anti-Marxist aus Rom war ebenso strikter Gegner eines ungezügelten Kapitalismus. Beide Ismen richteten nach seiner Auffassung Verheerungen im menschlichen Miteinander an.

Am Ostersonntag 2005 zeigte sich der todkranke Papst ein letztes Mal den auf den Petersplatz geströmten Gläubigen und den TV-Zuschauern. Verzweifelt rang er nach Worten, fasste sich an den Hals und schlug gegen seine Stirn, als die Stimme versagte. Einen Tag, bevor am 2. April 2005 um 21.37 Uhr sein Tod festgestellt wurde, war der Jahrhundertpapst in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. Sein Privatsekretär hatte noch letzte Worte auf einem Zettel notiert: „Seid froh, ich bin es auch.“ Rund um die Beisetzungs-Zeremomie am 8. April 2005 erlebte die Ewige Stadt einen bis dato nie gekannten Menschenandrang. Auf dem Sarg aus Zypressenholz lag ein Evangelienbuch.

Unvergessen, wie der Wind darin blätterte.

Meistgelesen

Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (2)

Das müssen Sie zu Rock am Ring 2024 wissen

Kultfestival in der EifelDas müssen Sie zu Rock am Ring 2024 wissen

Warum die ganze Welt zu einem deutschen Zungenbrecher tanzt

Bodo Wartke feat. Marti FischerWarum die ganze Welt zu einem deutschen Zungenbrecher tanzt

Diese elf AC/DC-Songs werden sträflich vernachlässigt

Vor Tourauftakt in GelsenkirchenDiese elf AC/DC-Songs werden sträflich vernachlässigt

„Der Vatikan darf sich nicht hinter seinen alten Regeln verstecken“

Queer-Beauftragter der Bischofskonferenz„Der Vatikan darf sich nicht hinter seinen alten Regeln verstecken“

Niederländer Joost Klein von ESC ausgeschlossen

Polizei ermitteltNiederländer Joost Klein von ESC ausgeschlossen

Neueste Artikel

Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (3)

Was macht eigentlich „Protz-Bischof“ Tebartz-van Elst?

Zehn Jahre nach RücktrittWas macht eigentlich „Protz-Bischof“ Tebartz-van Elst?

Apache 207 – ein Rapper auf Samtpfoten

Konzert in KölnApache 207 – ein Rapper auf Samtpfoten

AC/DC halten in Gelsenkirchen die Zeit an

Tourauftakt in DeutschlandAC/DC halten in Gelsenkirchen die Zeit an

Stadt der gelebten Utopie

Auf den Spuren von Olympia, des Bürgerkriegs und eines großen DichtersStadt der gelebten Utopie

So klingt der zweite Song von Barbaras Rharbarber-Bar

Viraler Hit mit FortsetzungSo klingt der zweite Song von Barbaras Rharbarber-Bar

Zum Thema

Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (4)

„Pope Simulator“ will Usern den Papst näherbringen

Computerspiel über Kirchenoberhaupt„Pope Simulator“ will Usern den Papst näherbringen

Polen verschiebt Präsidentenwahl auf späteres Datum

Wegen Corona-PandemiePolen verschiebt Präsidentenwahl auf späteres Datum

Fortuna brachte Paul Jäger eine Aufzugphobie ein

Urgestein des TraditionsvereinsFortuna brachte Paul Jäger eine Aufzugphobie ein

Trauer um Eishockey-Legende „Paul“ Pawelczyk

Erster Torschütze der BundesligaTrauer um Eishockey-Legende „Paul“ Pawelczyk

Die ersten Steine am Priesterhaus sind schon wieder aufgemalt

Sanierung in KevelaerDie ersten Steine am Priesterhaus sind schon wieder aufgemalt

D’r rheinische Pilger aus Herrenshoff

Porträt Hubertus ZilkensD’r rheinische Pilger aus Herrenshoff

D’r rheinische Pilger aus Herrenshoff

Porträt Hubertus ZilkensD’r rheinische Pilger aus Herrenshoff

Schön am Boden bleiben

Im Juli startet wieder das Asphalt-Festival in DüsseldorfSchön am Boden bleiben

Billie Eilish vielseitig wie nie

Album „Hit Me Hard and Soft“Billie Eilish vielseitig wie nie

Das sind die Ex-Freunde von Taylor Swift

Eine ChronologieDas sind die Ex-Freunde von Taylor Swift

Mark Forster sagt Konzert in Düsseldorf krankheitsbedingt ab

Sänger leidet unter MittelohrentzündungMark Forster sagt Konzert in Düsseldorf krankheitsbedingt ab

Aus dem Ressort

Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (5)

Litauen gewinnt den kleinen ESC in einem ungleichen Wettbewerb

TV-Nachlese zur ARD-ErsatzshowLitauen gewinnt den kleinen ESC in einem ungleichen Wettbewerb

Festival plant See-Bühne mitten in der Stadt

InterviewFestival plant See-Bühne mitten in der Stadt

Knapp sechs Millionen Zuschauer bei ESC-Ersatzshows von ARD und ProSieben

Wettstreit der AlternativenKnapp sechs Millionen Zuschauer bei ESC-Ersatzshows von ARD und ProSieben

Regisseur Dany Boon will Film über Quarantäne drehen

„Willkommen bei den Sch’tis“-Macher Regisseur Dany Boon will Film über Quarantäne drehen

Angelo Kelly erklärt in emotionalem Video Ausstieg bei Kelly Family

„Die Band verlasse ich, aber die Familie nie“Angelo Kelly erklärt in emotionalem Video Ausstieg bei Kelly Family

Unbeirrbare Arbeit am unendlichen Raum

Akustischer BegegnungsortUnbeirrbare Arbeit am unendlichen Raum

Unbeirrbare Arbeit am unendlichen Raum

Akustischer BegegnungsortUnbeirrbare Arbeit am unendlichen Raum

Bühnen bauen – real und digital

Mitmach-VideoBühnen bauen – real und digital

Der Dramatiker der Deutschen

Nachruf auf Rolf HochhuthDer Dramatiker der Deutschen

Diese Kandidaten treten bei Raabs „Free ESC“ gegeneinander an

ARD-Konkurrenz am Samstag Diese Kandidaten treten bei Raabs „Free ESC“ gegeneinander an

Dramatiker Rolf Hochhuth mit 89 Jahren gestorben

Umstrittener Theaterautor Dramatiker Rolf Hochhuth mit 89 Jahren gestorben

  • Papst Johannes Paul II.
Papst Johannes Paul II.: „Seid froh, ich bin es auch“ (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Rev. Leonie Wyman

Last Updated:

Views: 5463

Rating: 4.9 / 5 (79 voted)

Reviews: 86% of readers found this page helpful

Author information

Name: Rev. Leonie Wyman

Birthday: 1993-07-01

Address: Suite 763 6272 Lang Bypass, New Xochitlport, VT 72704-3308

Phone: +22014484519944

Job: Banking Officer

Hobby: Sailing, Gaming, Basketball, Calligraphy, Mycology, Astronomy, Juggling

Introduction: My name is Rev. Leonie Wyman, I am a colorful, tasty, splendid, fair, witty, gorgeous, splendid person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.